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And so it begins...

  • Kathrin Lange
  • 5. März
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. März

Ich gehe durch den Supermarkt in meinem Dorf. Am Tresen beim Bäcker stehen zwei Frauen, eine davon hat ein Kind im Einkaufswagen sitzen, mit dem sie redet, während sie darauf wartet, an der Reihe zu sein. Beim Eierstand ein Mann, der sich nicht entscheiden kann zwischen Bio und Regional. Ratlos starrt er auf die Packung in seiner Hand und im Vorbeigehen kann ich die Aufschrift lesen: Ohne Kükentöten.

 

In mir verschiebt sich etwas. Ich zähle. Eins, zwei, drei. Du? Oder du? Vielleicht auch du?

Am vergangenen Wochenende hat in meinem Dorf jeder Dritte seine Stimme einer menschenverachtenden, rechtsextremen Partei gegeben. Einer Partei, die meinem besten Freund das Daseinsrecht abspricht, weil er schwul ist. Eine Partei, die Menschen aus dem Land werfen will, weil ihre Haut nicht biodeutsch weiß ist.


Als der Mann die Eier ohne Kükentöten wieder wegstellt und sich für eine Packung „Bodenhaltung“ entscheidet, nehme ich mir vor, Freunden eine Karte mit einer Einladung zum Kaffee in den Briefkasten zu stecken. Sie wohnen seit ein paar Monaten in Deutschland und ich habe keine Ahnung, wie sie sich in diesen Tagen fühlen.

 

Ich habe nicht einmal eine Ahnung, wie ich selbst mich fühle. Während ich überlege, welche Käsesorte in meinen Einkaufswagen wandern soll, betrachte ich die Schlange an der Fleischtheke. Ich will nicht schon wieder zählen, aber ich kann es kaum vermeiden. Eins. Zwei. Drei. Du? Mein Blick begegnet einer Frau in Funktionsjacke, die bemerkt hat, dass ich sie anschaue. Ich wünsche mir die Zeit zurück, in der ich in solchen Momenten gelächelt habe.

 

Mir ist nicht nach lächeln. Würde mich jemand fragen, wie es mir geht, ich könnte darauf keine Antwort geben. Ratlos schreibt man mit los. Man gebe mir ein T. Und so schreibe ich über Buchstaben, verkrieche mich im ganz Kleinen, bin froh über den Hund. Wenn er nicht wäre, würde ich vermutlich noch seltener vor die Tür gehen.

 

Ich kann mich nicht entscheiden, welcher Käse es sein soll, darum nehme ich gar keinen. An der Kasse hole ich mein Handy heraus, starre darauf, um niemandem in die Augen sehen zu müssen.

 

Ein Kollege aus den USA hat mir geschrieben. Er hat gerade erfahren, dass seine Bücher aus den Bibliotheken entfernt werden.

 
 
 

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2 Comments


Sabine Weiß
Mar 12

Genauso geht es mir auch. Bei uns ist es jede:r Fünfte. Eine Freundin sagte, ich kenne niemanden, der rechts wählt. Ich sagte: doch, du musst - sie outen sich nur nicht. Noch nicht. Beunruhigend finde ich auch die Misogynie, die mit diesem Gedankengut einher geht. Nichts, was in den letzten Jahrzehnten erzkämpft wurde, scheint noch sicher zu sein. Ein schrecklicher Gedanke. Danke für euren Blog.

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Kathrin Lange
Mar 18
Replying to

Danke, Sabine. Wir glauben, dass über diese Themen zu schreiben - und uns dadurch zu vernetzen - hilft. Wir würden uns über den ein oder anderen Text von dir sehr freuen! Viele Grüße Kathrin

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